Das Duell zwischen Barack Obama und Mitt Romney bei der letzten Präsidentschaftswahl endete mit einem sehr klaren Ergebnis, einem Sieg für Obama und einer krachenden Niederlage für Romney. Die Teilnehmer meines Webinars zu dem Thema wissen, dass das nicht nur an den rhetorischen Fähigkeiten der Kandidaten, dem Klima in der amerikanischen Gesellschaft und den politischen Programmen der Kontrahenten lag, sondern dass es noch einen weiteren großen Unterschied gab.
Predictive Analytics als Erfolgsfaktor im Wahlkampf
Dieser Unterschied war Obamas sehr massiver, sehr teurer, sehr professioneller und sehr erfolgreicher Einsatz eines ganzen Bündels an Predictive-Analytics-Methoden im Wahlkampf. Diese Methoden führten dazu, dass Obamas Wahlhelfer jederzeit wussten, an welche Haustür sie klopfen und zu welchem der Themen auf Obamas politischer Agenda sie die Bewohner in ein Gespräch verwickeln mussten. Sie konnten genau berechnen, wie sie sichere Obama-Befürworter zum Wählen bewegen und politisch Unentschlossene auf Obamas Seite ziehen konnten. Gleichzeitig verschwendeten Romneys Unterstützer ohne vergleichbare Informationen ihre Zeit in Straßenzügen, von denen man bei Einsatz prädiktiver Methoden gewusst hätte, dass dort vorwiegend eingefleischte Demokraten zu finden sind, die kein Wahlhelfer auf Romneys Seite würde ziehen können.
Statistische Modelle erlaubten es Obamas Team auch sehr genau einzuschätzen, in welchen der "Swing-States" sie das Rennen ohnehin schon gewonnen hatten. So konnten sie ihre Ressourcen auf die verbleibenden Staaten konzentrieren. Es stellte sich am Wahltag heraus, dass diese Modelle derart genau waren, dass sie für jeden einzelnen Bundesstaat mit einer Abweichung von maximal einem Prozentpunkt das richtige Ergebnis prognostizierten. Während also Obamas Data-Science-Team den Wahltag als "Model Validation Day" feierte, hatten Romneys Leute nichts Vergleichbares aufzubieten.
Einzigartige Datenbasis
Eine der Stärken der Obama-Kampagne war die Datenbasis, auf der sie ihre verschiedenen Modelle erstellten. Anders als in den meisten europäischen Ländern gibt es in den USA recht gut zugängliche und umfassende Daten darüber, wer bei welcher Wahl seine Stimme abgegeben hat. Dieses sogenannte Voter File, eine amerikanische Besonderheit, ergänzte Obamas Team in einer Weise, die man in Europa schwer nachahmen könnte: Daten zu politischen Präferenzen der Wähler lassen sich in den USA durch die Registrierungen als Unterstützer einer bestimmten Partei gewinnen. Diese Registrierung ist deswegen wichtig und relativ beliebt, weil sie zur Teilnahme an den Vorwahlen berechtigt, bei denen die Parteien ihre Kandidaten auswählen. Darüber hinaus verwendete Obamas Team zugekaufte Marketingdaten, die in den USA ebenfalls in einer extremen Vielfalt und Detailtiefe verfügbar sind. Dazu kamen umfangreiche eigene Telefonbefragungen, wie sie sich nur eine finanzkräftige Organisation wie die Obama-Kampagne leisten kann.
Diese einzigartige Datenbasis ermöglichte extrem hilfreiche und wertvolle Prognosen. Die dazu verwendeten Modellierungsmethoden waren vor allem bei der Vorhersage der Wahlergebnisse auf Bundesstaatsebene innovativ. Bei der Steuerung der Wahlhelfereinsätze genügten an gängige Standards des Direktmarketings angelehnte Modelle, um die Obama-Kampagne mit unerreichter Präzision zu steuern.
Was die Republikaner im nächsten Wahlkampf besser machen wollen
Die Republikaner haben aus dieser Niederlage die Konsequenzen gezogen. Beim Vortrag von Amelia Showalter bei der Predictive Analytics World 2015 in Berlin war zu erfahren, dass alle republikanischen Kandidaten für die nächste Präsidentschaft jeweils ein hochkarätiges Data-Science-Team aufgestellt haben, um das Data-Science-Desaster vom letzten Mal nicht zu wiederholen.